Der Darm
Das unterschätzte Organ

Bis vor 25 Jahren glaubte man, dass sich die Aufgabe des Darmes ausschließlich auf die Verdauung der aufgenommenen Nahrung beschränkt. Seine immense Bedeutung für das Immunsystem tritt seitdem immer mehr in den Vordergrund medizinischen Interesses.

Die Aufgabe des Darmes für die Verdauung ist in groben Zügen allen bekannt. Kurz gesagt werden im Dünndarm die aufgeschlossenen Nahrungsbestandteile, Eiweiß, Fett und Kohlehydrate über die Darmschleimhaut aufgenommen. Im Dickdarm wird dann dem Stuhl, der aus unverdaulichen Nahrungsanteilen besteht, das Wasser entzogen und über den Anus ausgeschieden. Die immunologischen Aufgaben des Darmes wurden erst in den letzten zwanzig Jahren erforscht und sind bis heute nur in ihren Grundzügen geklärt. Man weiß inzwischen, dass sich 80% unserer Immunzellen im Darm befinden. Wenn wir uns vor Augen führen, dass die Oberfläche des Darmes 400 m² beträgt (die Oberfläche der Haut beträgt nur 2 m²), wird klar, dass dieses Organ die größte Grenzfläche zur Außenwelt darstellt. Wie an jeder Landesgrenze wird auch an der Darmmukosa genauestens darüber entschieden, wer Freund, wer harmlos und wer Feind ist. Die Frage „Wolle mer‘n eroilosse“ des Mainzer Karnevals wird hier minütlich gestellt. Das ist eine gewaltige Aufgabe für den Organismus und muss im Laufe des Lebens mühsam antrainiert werden. In den Jahrmillionen unserer Entwicklungsgeschichte sind im Darm echte Symbiosen entstanden, also das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zum gegenseitigen Nutzen. Wir beherbergen etwa 1 500 Arten unterschiedlicher Keime in unserem Dickdarm, und mit 100 Billionen Bakterien verfügt der Darm über mehr Einzeller als Körperzellen! Ein Teil der Bakterien, wie z.B. die unterschiedlichen Lactobazillen und Bifidostämme, Enterococcus faecalis etc. stimulieren und trainieren unser Immunsystem. Die Immunzellen kommunizieren miteinander, bilden Antikörper und sorgen dafür, dass unsere Abwehr reibungslos funktioniert. Diese Informationen werden auch an andere Abwehrzentren im Körper weitergegeben. Das im Darm Erlernte wenden unsere Immunzellen auch in anderen Organen an, wie z.B. an den Schleimhäuten der Atemwege. So wird verständlich, warum eine erhöhte Infektanfälligkeit oder entzündliche Prozesse an der Haut oder den Gelenken ihre Ursache auch im Darm haben können. Und deshalb ist es mehr als einleuchtend, dass einer Zerstörung der Darmflora durch eine Antibiose mit einer Wiederansiedlung guter Keime unbedingt entgegengesteuert werden muss. Dies gilt ganz besonders bei Kleinkindern und Kindern, um das Immunsystem intakt zu halten. Es ist sinnvoll, einmal im Jahr eine Probiotika-Kur zu machen, um den Darm gesund zu halten, denn auch Umwelteinflüsse , wie z.B. mit Antiobiotika kontaminiertes Fleisch aus der Massentierhaltung beeinflusst eine optimale Darmflora negativ. Ich empfehle eine Zwei-Wochen-Kur mit Lactobacillen und Bifidokeimen, die zweimal täglich eingenommen wird.

Marcus Niendorf

Apotheker in 4. Generation, Inhaber der Löwen-Apotheke in Lübeck, sucht seit Jahrzehnten nach einfachen, natürlichen Lösungen für alltägliche Probleme.

 

 

Photo Credit: Thomas Berg, stock.adobe.com: Romario Ien

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