Heiligen-Geist-Hospital
Eine Institution für die Ärmsten

Es gehört zu den ältesten noch bestehenden Sozialeinrichtungen der Welt: Das Heiligen-Geist-Hospital ist Denkmal, Seniorenheim, Veranstaltungshalle und Geschichtszeuge in einem. Viele Lübecker lieben das Haus am Koberg, weil sie wissen, dass hier etwas Gutes geschaffen wurde. Hier wurde alten und kranken Menschen geholfen.

Der Grund, warum im hohen Mittelalter, kaum 100 Jahre nach der Stadtgründung, das Heiligen-Geist-Hospital gegründet wurde, war eigentlich Furcht: Die Furcht der Kaufleute, nach dem Tod im Fegefeuer zu landen. Deshalb stellten sie sicher, dass sie gute Taten vollbrachten und dass es Menschen gab, die nach dem Tod für ihre Seelen beteten. Das alles führte dazu, dass – nicht nur in Lübeck – Versorgungseinrichtungen für ältere und bedürftige Menschen eingerichtet wurden. Gestiftet wurde das Hospital bereits ein halbes Jahrhundert vor der Errichtung des Gebäudes. Der Rigakaufmann Bertram Morneweg war einer der Mitbegründer des aus der Stiftung hervorgegangenen Hospitals.
Dominant ist heute immer noch die Querhalle direkt am Eingang, eigentlich eine dreischiffige gotische Hallenkirche mit einem verlängerten Mittelschiff: Das ist die lange Halle, für die meisten Besucher das eigentliche Heiligen-Geist-Hospital. Ursprünglich war die Mauer zwischen Querhalle und Langhalle nicht vorhanden, damit die Bewohner dem Gottesdienst in der Kirche folgen konnten.

Der ursprüngliche Beweggrund, das Heiligen-Geist-Hospital zu gründen, war die Furcht der Kaufleute vor dem Fegefeuer. Durch gute Taten konnte man die Zeit dort verkürzen, glaubte man. Und durch die Gebete der Armen, die im Hospital lebten.

Das Heiligen-Geist-Hospital lebte – und lebt immer noch – von den Einnahmen seiner Ländereien. Verschiedene Höfe, wie Krumbek und Behlendorf, gehören dem Hospital. In der Reformation wurde die katholische Einrichtung, die klosterähnlich organisiert war, in ein weltliches Altenheim umgewandelt. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in der Langhalle die vier Quadratmeter großen hölzernen Kammern gebaut, die „Kabäuschen“. Bis dahin waren die Betten in der Halle aufgestellt und mit Seilen und Leinwänden voneinander abgetrennt. Es gab auch schon zu dieser Zeit den nördlichen Frauengang und den südlichen Männergang. Die Vorstellung, dass die Kammern der einzige Raum der Bewohner war, ist allerdings irrig: Es gab immer Gemeinschaftsräume, das Kabäuschen war lediglich Rückzugs- und Schlafraum.
Noch bis in die 1970er-Jahre waren die letzten Kammern bewohnt. Erst dann zog das komplette Altenheim in den nördlichen Flügel des Heiligen-Geist-Hospitals. Dort, jenseits des Kreuzgangs, sind heutzutage die Zimmer der Bewohner, die Gemeinschafts- und Wirtschaftsräume untergebracht. Das alte Heiligen-Geist-Hospital dagegen bleibt als Denkmal erhalten – wenn es auch weiterhin genutzt wird.
In einigen Räumen des gotischen Gebäudes sind die Stiftungsverwaltung der Stadt untergebracht, die von hier aus mehrere Wohnstifte verwaltet. Die Kabäuschen stehen zum Teil leer, zum Teil werden sie als Lagerräume genutzt.
Einmal im Jahr aber wird das Heiligen-Geist-Hospital zum großen Tummelplatz der Kunsthandwerkerszene Norddeutschlands: Rund um Weihnachten drängeln sich dann hier die Besucher immer im Kreis um die Kabäuschen herum. Und in den Kammern, die das Jahr über leer stehen, sitzen Kunsthandwerker und bieten ihre Werke feil. Teilweise produzieren sie unter den Augen der Gäste ihre Waren, erklären und verkaufen. Im Vorsteherzimmer, dem schmucken Raum direkt neben dem Eingang zur Langhalle, sitzt dann die Marktleitung, der kostbare gotische Backsteinfußboden ist dann mit Teppichen bedeckt, damit die vielen Füße nicht noch mehr Material verlieren.
Und während des ganzen Trubels leben und arbeiten direkt nebenan die Bewohner und Mitarbeiter des „anderen“ Heiligen-Geist-Hospitals. Eben der Sozialeinrichtung der Welt, die eine der längsten Traditionslinien besitzt. Und die ursprünglich aus Furcht vor dem Fegefeuer entstanden ist. Und aus Respekt vor dem Alter.

 

Photo credits: foto-select – stock.adobe.com, Dima Kolmjicev

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