Apotheker ist ein sozialer Beruf
Altes Handwerk in der Moderne

Marcus Niendorf, Apotheker

Tradition ist für ihn nicht nur eine Floskel: Marcus Niendorf leitet in vierter Generation eine der ältesten noch bestehenden Apotheken Lübecks – und das im ältesten bürgerlichen Gebäude der Stadt. Und er besinnt sich auf alte Apothekertraditionen.

Als Niendorf die Löwen-Apotheke vor über einem Vierteljahrhundert von seinem Vater übernahm, war ihm schon klar: „Nur eine Abgabestelle für Medikamente zu sein, ist mir zu langweilig.“ Dabei bricht Marcus Niendorf aber eine Lanze für den Beruf des Apothekers: „Wir sind im Grunde ein sozialer Beruf. Wir haben fast nur Stammkunden, zu denen wir oft ein persönliches Vertrauensverhältnis haben. Ich berate lieber als Rezepte einzulösen.“
Niendorf plädiert also für eine „Apotheke im besten analogen Sinne“: Als sozialer Anlaufpunkt, wie es im Dorf der Tante-Emma-Laden war, als erster Ansprechpartner beim kleinen Husten, bevor der Hausarzt eingeschaltet wird: „Wir haben die Kompetenz zu sagen: Gehen Sie damit bitte zu Ihrem Arzt, ich kann nicht genau erkennen, was Ihnen fehlt. Das braucht eine ärztliche Diagnose.“ Das entlaste Ärzte und Gesundheitssystem und bringt den Menschen zurück in die Apotheke.
Dabei war ihm der Beruf nicht in die Wiege gelegt: „Meine großen Leidenschaften sind Kunst- und Architekturgeschichte und die Botanik.“ Als er die Kloster-Apotheke Santa Maria Novella in Florenz besuchte – eine der eindrucksvollsten historischen Apothekenräume in ganz Europa – bekam er eine Idee, wie er seine Leidenschaft mit seinem Beruf vereinbaren könnte. Und so besann sich Niendorf auf die alten Rezepte, die er mit der 200jährigen Apotheke übernommen hatte.

Seitdem ich meine eigene Manufaktur mit meinen Produkten mache, macht mir mein Beruf richtig Spaß.
Marcus Niendorf

„Genau das möchte ich auch machen. In meinem 800-jährigen Haus Pharmaziegeschichte erzählen und pflanzliche Rezepturen in schönen selbstgestalteten Verpackungen anbieten.“ Und so machte sich Niendorf daran, „einfache natürliche Lösungen für alltägliche Probleme“ zu finden. Geholfen hat ihm das 800-jährige Haus mit seiner 200-jährigen Apothekengeschichte und die vier Apotheker-Generationen seiner Familie. „Da gibt es viel zu erzählen und die Menschen lieben diese Authentizität.“ Immerhin war Ferdinand Runge, der später das Koffein, das Anilin und das Chinin entdeckte, einer der ersten Lehrlinge der Löwen-Apotheke.
Was Niendorf am Beruf des Apothekers fasziniert, ist eben dieses Zusammenspiel aus Botanik, Kunstgeschichte und Pharmazie auf der einen Seite und der Beschäftigung mit dem Menschen andererseits. Diese Geschichte seines Berufsstandes will er erfahrbar machen: Mit einem kleinen, feinen Apothekenmuseum. Er hat entdeckt: „Hierher kommen viele Touristen, die ganz überrascht und beglückt sind über diese besonderen Räume mit den besonderen Produkten.“ Im Raum, der bislang der Kosmetik „Löwenschön“ vorbehalten war, stehen schon neben Geräten alte Apothekerschränke – „aus der Hamburger Apotheke, in der ich gelernt habe“. „Ich möchte meine Begeisterung weitergeben. Wo geht das besser, als in diesem alten Gebäude mit dieser reichen Geschichte?“ Ein bisschen träumt er davon, dass seine Löwen-Apotheke ein Ziel für Lübeck-Besucher wird – wie die Schiffergesellschaft oder Niederegger. „Immerhin, Niederegger ist auch nur sechs Jahre älter als die Löwen-Apotheke“, meint er augenzwinkernd.

 

Photo credits: dietlindwolf

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